Beim Goldenen Schnitt (lateinisch: sectio aurea) oder auch bei der Goldenen Teilung entsteht ein bestimmtes Verhältnis zwischen zwei Zahlen oder zwei Größen.
Dieses Verhältnis ist die Goldene Zahl Φ (Phi) und hat den Wert
Zum Beispiel stehen zwei Teile einer Strecke im Verhältnis Φ, wenn sich der größere zum kleineren Teil verhält wie die ganze Strecke zum größeren Teil.
Streckenverhältnisse wie beim Goldenen Schnitt werden seit der griechischen Antike als Inbegriff von Ästhetik und Harmonie angesehen. Sie werden als ideale Proportionen in Kunst und Architektur angewendet, kommen aber auch in der Natur vor. Das Goldene Verhältnis ist häufig bei der Bildkomposition in der Malerei zu finden und wird heute oft in der Photographie verwendet. Es zeichnet sich durch eine Reihe besonderer mathematischer Eigenschaften aus.
Umgangssprachlich wird Goldener Schnitt auch für die Goldene Zahl beziehungsweise für das Goldene Verhältnis gebraucht. (Wiki)
Der vitruvianische Mensch, Leonardo da Vinci, 1492, Proportionsstudie nach Vitruv |
Geometrische Betrachtung
Konstruktionen mit Zirkel und Lineal
Als Konstruktionsverfahren betrachtet man in der Geometrie nur diejenigen Verfahren, die sich auf die Verwendung von Zirkel und Lineal
(ohne Skala) beschränken. Für die Teilung einer Strecke im Verhältnis
des Goldenen Schnittes gibt es eine Fülle derartiger Verfahren, von
denen im Folgenden exemplarisch nur einige erwähnt werden. Man
unterscheidet innere und äußere Teilung. Bei einer äußeren Teilung wird
der in der Verlängerung der Ausgangsstrecke außen liegende Punkt
gesucht. Die Ausgangsstrecke ist in diesem Fall die größere Teilstrecke.
Aufgeführt sind auch zwei moderne, von Künstlern gefundene
Konstruktionen.
- Klassisches Verfahren mit innerer Teilung, das wegen seiner Einfachheit beliebt ist:
- Errichte auf der Strecke AB im Punkt B eine Senkrechte der halben Länge von AB mit dem Endpunkt C.
- Der Kreis um C mit dem Radius CB schneidet die Verbindung AC im Punkt D.
- Der Kreis um A mit dem Radius AD teilt die Strecke AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes.
- Innere Teilung nach Euklid:
- Errichte auf der Strecke AB im Punkt A eine Senkrechte der halben Länge von AB mit dem Endpunkt C.
- Der Kreis um C mit dem Radius CB schneidet die Verlängerung von AC im Punkt D.
- Der Kreis um A mit dem Radius AD teilt die Strecke AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes.
- Klassisches Verfahren mit äußerer Teilung:
- Errichte auf der Strecke AS im Punkt S eine Senkrechte der Länge AS mit dem Endpunkt C.
- Konstruiere die Mitte M der Strecke AS.
- Der Kreis um M mit dem Radius MC schneidet die Verlängerung von AS im Punkt B. S teilt AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes.
- Konstruktion nach dem amerikanischen Künstler George Odom, die dieser 1982 entdeckte:
- Konstruiere ein gleichseitiges Dreieck.
- Konstruiere den Umkreis, also den Kreis, der durch alle Ecken des Dreiecks verläuft.
- Halbiere zwei Seiten des Dreiecks in den Punkten A und S.
- Die Verlängerung von AS schneidet den Kreis im Punkt B. S teilt AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes.
- Beginnt man mit der Strecke AS, so konstruiert man über der halben Strecke das in S rechtwinklige Dreieck mit dem Umkreismittelpunkt (Höhe: AS/2, 2. Kathete: AS)
- Konstruktion nach dem österreichischen Künstler Kurt Hofstetter, die dieser 2005 im Forum Geometricorum publizierte:
- Halbiere die Strecke AB in M durch Streckensymmetrale mit Radius AB und konstruiere dabei ein gleichseitiges Dreieck ABC mit der Seitenlänge AB und C unterhalb von AB.
- Konstruiere ein gleichschenkeliges Dreieck MBD mit Schenkellänge AB über der Grundlinie MB
- Die Strecke CD teilt die Strecke AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes.
Die Bedeutung des Goldenen Schnitts
Proportionslehre
Architektur
Frühe Hinweise auf die vermutlich unbewusste Verwendung des Goldenen
Schnittes stammen aus der Architektur. Die Schriften des griechischen
Geschichtsschreibers Herodot zur Cheops-Pyramide
werden gelegentlich dahingehend ausgelegt, dass die Höhe der
Seitenfläche zur Hälfte der Basiskante im Verhältnis des Goldenen
Schnittes stünde. Die entsprechende Textstelle ist jedoch nur interpretierbar. Andererseits wird auch die These vertreten, dass das Verhältnis 2:π für Pyramidenhöhe zu Basiskante die tatsächlichen Maße noch besser widerspiegele. Der Unterschied beider Thesen beträgt 3,0 %.
Viele Werke der griechischen Antike werden als Beispiele für die
Verwendung des Goldenen Schnittes angesehen wie beispielsweise die
Vorderfront des 447–432 v. Chr. unter Perikles erbauten Parthenon-Tempels auf der Athener Akropolis. Da zu diesen Werken keine Pläne überliefert sind, ist nicht bekannt, ob
diese Proportionen bewusst oder intuitiv gewählt wurden. Auch in
späteren Epochen finden sich zahlreiche Beispiele für die goldene
Proportion, wie etwa der Dom von Florenz, die Notre Dame in Paris oder die Torhalle in Lorsch (770 n. Chr.)
. Es gibt jedoch keinen empirischen Nachweis für eine signifikant
größere Häufigkeit des Goldenen Schnittes in diesen Epochen im Vergleich
zu anderen Teilungsverhältnissen. Ebenso fehlen historische Belege für
eine absichtliche Verwendung des Goldenen Schnittes.
Ein Beispiel für die bewusste Umsetzung des Goldenen Schnitts ist das Alte Rathaus in Leipzig,
ein Renaissancebau aus den Jahren 1556/57. Der aus der Mittelachse
gerückte Rathausturm galt als architektonische Avantgardeleistung der
damaligen Zeit und stand mit dem dadurch verursachten Wirbel und Aufruhr
für das städtische Selbstbewusstsein der Stadt. Auch dem Stadtgrundriss
des nordhessischen Bad Arolsen
liegt der Goldene Schnitt zugrunde. Er erstreckt sich vom Schloss über
die gesamte, geplante Barockstadt. Hier wurde der Goldene Schnitt
allerdings dazu verwendet, die göttliche Ordnung auf Erden und damit die
Erhabenheit des damaligen absolutistischen Fürsten aufzuzeigen.
Der Architekt und Maler Le Corbusier
(1887–1965) entwickelte ab 1940 ein einheitliches Maßsystem basierend
auf den menschlichen Maßen und dem Goldenen Schnitt. Er veröffentlichte
es 1949 in seiner Schrift Der Modulor, die zu den bedeutendsten Schriften der Architekturgeschichte beziehungsweise -theorie gezählt wird. Bereits 1934 wurde ihm für die Anwendung mathematischer Ordnungsprinzipien von der Universität Zürich der Titel doctor honoris causa der mathematischen Wissenschaften verliehen.