Im Wohnungsbau werden Küchen und Bäder zumindest teilweise mit
wasserabweisenden Belägen, wie z.B. Keramikfliesen, ausgeführt. Die
Verwendung von Gipsputz für die Wandoberflächen trägt hier zu einer
schnellen Entfeuchtung bei, da Gips die Feuchte aus der Raumluft in den
Poren aufnehmen und wieder abgeben kann, ohne selbst feucht zu werden
und Schaden zu nehmen. Welche Qualitätskriterien und Regeln in der
Planung und in der Bauausführung von mit Gips verputzten Innenwänden als
Untergrund für Fliesenbeläge und andere Bekleidungen zu beachten sind,
beschreibt dieser Beitrag.
Gipsputz für Decken und Wände stellt heute einen hochwertigen
Standard für den Innenausbau dar. Architektonisch zeichnet sich das sehr
feine Material durch gut zu gestaltende, glatte sowie ästhetische
Strukturen aus. Baubiologisch steht Gips für ein reizfreies
Innenraumklima, das bauphysikalisch von trockenen warmen
Bauteiloberflächen geprägt ist.
In wirtschaftlicher Hinsicht spricht für Gipsputz vor allem die
rationelle einlagige Verarbeitung, bei der jede Wand nur einmal in den
Bauablauf eingetaktet werden muss. Selbst erhöhte Oberflächengüten bis
Q3 lassen sich ohne zusätzliche Glättschichten direkt aus dem Putz
herausarbeiten. Von den kurzen Abbindezeiten profitieren
Nachfolgegewerke wie Maler oder Fliesenleger und der gesamte Bauablauf.
Wegen seiner Vielseitigkeit sowie seiner nutzungs- und
verarbeitungstechnischen Vorteile findet Gipsputz im Wohn- wie im
Nichtwohnbau gleichermaßen Anwendung. Und zwar in Innenräumen aller Art,
also auch in häuslichen Küchen und Bädern. Letztere zählen nicht zu den
Feuchträumen, sondern gelten gemäß DIN V 18550 Putz und Putzsysteme –
Ausführung ausdrücklich als Räume mit „üblicher Luftfeuchte“, weil
Feuchtebeanspruchungen für Wände und Decken dort nur vorübergehend und
nur durch Spritzwasser auftreten. Bei bestimmungsgemäßer Raumnutzung
können Gipsputzoberflächen dort zwar zeitweise benetzt werden, danach
aber auch wieder trocknen, ohne dass es zu Beeinträchtigungen des Putzes
kommt.
Gipsputze in Feuchträumen
Ganz anders ist die Situation in tatsächlichen Feuchträumen, etwa in
gewerblichen Küchen, Schwimmbädern oder öffentlichen Duschräumen. Hier
kann eine lang anhaltende Durchfeuchtung der Oberflächen auftreten,
weshalb Gipsputz nicht eingesetzt werden sollte. Denn im dauerhaft mit
Wasser beanspruchten Milieu verliert die Kristallstruktur des Gipses an
Festigkeit. Diese Unterscheidung von (gewerblichen oder öffentlichen)
Feuchträumen und häuslichen Küchen und Bädern wird sowohl in der bereits
genannten DIN V 18550 als auch in einer Reihe von techni
schen
Merkblättern, etwa dem Merkblatt Verbundabdichtungen, vorgenommen. Sie
ist realitätsnah und hat sich bewährt, wie verschiedene Untersuchungen
und eine Vielzahl ausgeführter Projekte beweisen.
Damit kann in Wohn- und wohnähnlichen Gebäuden für alle Räume
durchgängig Gipsputz geplant werden, was nicht nur zu homogenen
Raumoberflächen, sondern auch zu einer wirtschaftlicheren Verarbeitung
führt. Denn das Putzunternehmen braucht keinen Materialwechsel mit der
dazugehörigen Maschinenreinigung vorzunehmen und kann stattdessen sehr
rationell alle Räume einer Wohnung in einem Arbeitsgang verputzen.
Testreihe simuliert Havariesituation
Einlagiger Gipsputz hat sich in häuslichen Küchen und Bädern also
bewährt. Weil diese Räume häufig verfliest werden, hat die IGB
Industriegruppe Baugipse im Bundesverband der Gipsindustrie e.V. erneut
eine Untersuchung vornehmen lassen, die sich speziell mit den
Einsatzbedingungen von Gipsputz als Untergrund für Fliesen beschäftigt.
Dabei ging es zum einen darum, welche technischen Kriterien ein hohe
Ausführungsqualität des Fliesenbelags sicherstellen und damit vom Planer
und der Bauleitung besonders zu beachten sind, zum anderen aber auch
darum, wie sich das System aus Fliesen und Putz unter widrigen
Bedingungen verhält – etwa bei Nassbelastungen durch Havarien oder
Rohrbrüche.
Mit dem Projekt beauftragt wurde das Untersuchungs- und
Beratungsinstitut für Wand- und Bodenbeläge der
Säurefliesner-Vereinigung e.V., kurz SFV. Die Ergebnisse stammen damit
nicht nur von einer neutralen Prüfstelle, sondern auch von einem
Institut mit anerkannter Kompetenz für keramische Fliesen und Platten
sowie systemimmanenten Mörteln und Klebstoffen.
Für die Testreihe entstanden zu beprobende Putzsystem-Körper in
Kombination aus unterschiedlichen Untergründen, Gipsleichtputzen in zwei
Putzstärken, Grundierungen und Fliesenklebern. Als Belag kamen
badtypische glasierte keramische Steingutfliesen im Format: l/b = 50/30
cm zum Einsatz. Ein Teil der Probekörper wurde anschließend im
Normalklima, ein Teil für mehrere Tage im Wasserbad gelagert, was die
bereits erwähnten erschwerenden Umgebungsbedingungen simulieren sollte.
Qualitätskriterien in der Ausführung
Die Qualität des Gipsputzes als Fliesenuntergrund wird nach der
Lagerung mit einem Haftzuggerät bestimmt, indem aus den zur Ablösung von
Fliesensegmenten erforderlichen Bruchkräften die Haftzugfestigkeit des
Aufbaus berechnet wird. Maßgeblicher Bezugswert ist dabei die in DIN
18156 Stoffe für keramische Bekleidungen im Dünnbettverfahren
geforderte Haftzugfestigkeit von 0,5 N/mm² im Verbundsystem, wobei
baupraktische Erfahrungen zeigen, dass auch bei 0,3 N/mm² noch eine
sichere Haftung gewährleistet ist.
Systemkomponente Putzgrund
Putzgrund, Grundiermittel und Gipsleichtputz und letztlich der
Fliesenkleber bilden die Systemkomponenten für den Fliesenuntergrund.
Daher bildeten die Probekörper zunächst Putzgründe aus Beton sowie
Plansteinmauerwerk aus Porenbeton und Ziegeln. Sie repräsentierten damit
einen Großteil der baupraktisch vorkommenden Wandbildner. Bei 10 mm
Putzdicke und unter normalen Nutzungsbedingungen konnte an allen
Probekörpern durchgängig Haftzugfestigkeiten um 0,7 N/mm² festgestellt
werden.
Systemkomponente Grundiermittel
Die Grundierung des Putzgrundes vor dem Verputzen steht nicht in
direktem Zusammenhang mit der Haftzugfestigkeit der Fliesen. Ob in der
Baupraxis eine solche Grundierung erforderlich ist, richtet sich nach
der Art des Wandbildners und den Vorgaben des jeweiligen
Putzherstellers. Schwach saugende und glatte Betonoberflächen sollten
mit einer organischen Haftbrücke, stark saugende Untergründe wie das in
der Testreihe verwendete Mauerwerk mit einer Grundierung
(Aufbrennsperre) vorbehandelt werden.
Systemkomponente Gipsleichtputz
Für die geplante Anwendung (unter Fliesen) wurde der Putz normgemäß
nur abgezogen (und nicht geglättet bzw. gefilzt), sodass auf der
griffig-rauen Oberfläche der Fliesenkleber gut haftete. In DIN 18157-1
Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren werden
Gipsputze als möglicher Untergrund für Fliesen nicht genannt, was u.a.
daran liegt, dass die Norm aus dem Jahr 1979 stammt und damit über 30
Jahre alt ist. Frühere SFV-Untersuchungen und baupraktische Erfahrungen
haben jedoch gezeigt, dass sich Gips- und Gipskalkputze mit
Druckfestigkeit ≥ 2,0 N/mm² bewährt haben.
Nach DIN 18157-1 soll die Putzdicke unter Fliesen mindestens 10 mm
betragen – ursprünglich eine Forderung, um überhaupt ebene Untergründe
zu realisieren. Moderne Wandbildner weisen jedoch schon im Rohbau sehr
ebene Oberflächen auf, weshalb in der aktuellen Untersuchung auch 5 mm
dicke Putzschichten geprüft wurden. Sowohl im trockenen als auch im
wieder getrockneten Zustand haben diese Probekörper auf
Mauerwerksuntergründen zufriedenstellende Haftzugfestigkeiten um
0,5 N/mm² erreicht. 10 mm Putzdicke haben sich als die Regelbauweise
bewährt, besonders im Hinblick auf die tendenziell steigende Verwendung
von großformatigen Fliesen. Unter günstigen Randbedingungen (ebener
Putzgrund, wasserrückhaltender Fliesenkleber) sind aber auch 5 mm
Putzdicke systemstabil.
Systemkomponente Fliesenkleber
In der aktuellen Untersuchung wurde zunächst eine Grundierung des
Fliesengrundes nach Angaben des Fliesenkleber-Herstellers ausgeführt und
anschließend ein zementhaltiger Dünnbettkleber eingesetzt: ein
Flexkleber (C2) und Bau- und Fliesenkleber (C1) von Knauf Bauprodukte
sowie Ardex Microtec Natursteinkleber S27 (C2) mit hohem
Wasserrückhaltevermögen und schneller Trocknungszeit. Gerade solche
schnell trocknenden Fliesenkleber geben nur wenig Feuchtigkeit an den
Untergrund ab und beeinträchtigen dadurch nicht dessen Kristallstruktur.
Sie sind deshalb für den Einsatz auf Gipsputz besonders geeignet.
Festigkeit nach Nasslagerung
Unter normalen Nutzungsbedingungen ist der Haftverbund des Systems
aus Gipsputz und Fliesen sicher gewährleistet. Als „normal“ gelten dabei
alle Räume mit üblicher Luftfeuchte, in den keine langanhaltende
Feuchtebeanspruchung der Wand auftritt. Wie verhält sich nun ein
fachgerecht aufgebrachter und verfliester Gipsputz unter Nassbelastung?
Um dies zu simulieren, wurde in der aktuellen Testreihe die Hälfte der
Probekörper nach 28 Tagen Trockenlagerung für fünf Tage in ein
Wasserbecken gelegt, sodass der Untergrund wassergesättigt war. Nach
daran anschließenden weiteren 28 Tagen der Austrocknung wurden erneut
Haftzugfestigkeitsmessungen vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass
mindestens die ursprüngliche Haftung wieder erreicht wurde und teilweise
sogar erhöhte Haftzugfestigkeiten auftraten. Gipsputz erreicht also
auch unter starker temporärer Wasserbeanspruchung nach dem Trocknen
wieder seine volle Funktionsfähigkeit als Untergrund für Fliesen und hat
damit beim Einsatz in häuslichen Küchen und Bädern eine ausreichende
Sicherheitsreserve auch für unvorhergesehene und außergewöhnliche
Wasserbelastungen.
Abdichtung in Fugen und Fläche
Diese Reserve ist umso größer, als die simulierte Situation der
rückseitigen Durchfeuchtung in der Praxis kaum auftreten kann. Hier
kommt es eher zu einer Wasserbeanspruchung von der Raumseite. Die
oberste Schicht bilden dabei die feuchtigkeitsbeständigen
wasserabweisenden Fliesen.
Wasserdurchlässig sind jedoch die Fugen. Fliesen-Fugenmörtel mit
Dichtungsmittelzusatz sowie dauerelastische Verfugungen an allen
Innenecken, Fugen, Installationsdurchführungen und Anschlüssen
verbessern deshalb die wasserabweisenden Eigenschaften des keramischen
Oberbelages. Einen noch höheren hydrophoben Effekt erreichen
Fugenmörtel auf Epoxidharzbasis. Regelmäßig mit Spritzwasser belastete
Bereiche müssen zudem nach dem ZDB-Merkblatt Verbundabdichtungen
abgedichtet werden, was einen zusätzlichen Schutz des Untergrundes
bedeutet.
Nach diesem Merkblatt ist Gipsputz der Mörtelgruppe P IV als
Untergrund für Verbundabdichtungen in der Beanspruchungsklasse A0
einsetzbar. Die Klasse steht für direkt und indirekt beanspruchte
Flächen in Räumen, in denen nicht sehr häufig mit Brauch- und
Reinigungswasser umgegangen wird. Das sind z. B. häusliche Bäder oder
Badezimmer von Hotels, sowohl mit als auch ohne Bodenablauf.
Mögliche Abdichtungsstoffe sind z. B. dichtende Anstriche auf der
Basis von Polymerdispersionen oder Reaktionsharzen, die gemeinsam mit
dem Fliesenkleber eine (Verbund-) Abdichtung bilden. Der gewählte
Abdichtungsstoff muss für den Einsatz auf Gipsuntergründen geeignet
sein und auf der Baustelle nach den Angaben des Herstellers auf
trockenen und staubfreien Gipsputz verarbeitet werden.
Ausdrücklich nicht vom Merkblatt erfasst werden Gäste-WC,
Hauswirtschaftsräume, Küchen mit haushaltsüblicher Nutzung sowie Wände
im Bereich von Sanitärobjekten wie Handwaschbecken und wandhängende
WC‘s. Diese Flächen bzw. Räume zählen laut ZDB-Merkblatt
Verbundabdichtungen nicht zum feuchtigkeitsbeanspruchten Bereich, es sei
denn, in den Räumen befinden sich Bodenabläufe.