Mittwoch, 8. Februar 2012

Flucht- und Rettungswege



Ein Rettungsweg dient der Rettung und Flucht von Menschen in allen Gefahrensituationen. Das Löschen und schützen des Gebäudes oder der Einrichtung ist völlig sekundär.
Grundregel: Flucht- und Notausgangstüren müssen von innen ungehindert und ohne fremde Hilfe zu öffnen sein. Rettungswege müssen über Ausgänge in sichere Bereiche oder unmittelbar ebenerdig ins Freie führen.

Bauordnung von RettungswegenRäume in denen sich Menschen aufhalten, müssen über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege - nach außen (möglichst entgegengesetzt) – verfügen. Die Bauordnung unterscheidet zwischem ersten und zweiten Rettungsweg. Ein Rettungsweg kann horizontal (z.B. Gänge und Flure) oder vertikal (z.B. Treppenhäuser) verlaufen. Die Weglänge ist in den verschiedenen Bauordnungen und Sonderbauverordnung geregelt und darf in der Regel von jedem Punkt eines Raumes bis zum nächsten Ausgang ins Freie oder bis zum nächsten gesicherten Bereich 35 m nicht überschreiten.

Regelwerke, Richtlinien und VerordnungenAusgänge und Türen, sowie Rettungswege müssen der DIN 4102 entsprechen
  • Teil 1: Brandverhalten von Baustoffen
  • Teil 2: Brandverhalten von Bauteilen
  • Teil 3: Brandverhalten von Brandwänden und nichttragenden Außenwänden
  • Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
  • Teil 5: Feuerschutz-Abschlüsse, Abschlüsse in Fahrschachtwänden und feuerwiderstandsfähige Verglasungen
  • Teil 6: Lüftungsleitungen
  • Teil 7: Bedachungen
den Landesbauordnungen (LBO/BO) der Bundesländer
den Durchführungsverordnungen (DVO) entsprechend der LBO/BO
den Rechtsverordnungen (RVO) und Richtlinien für Bauten besonderer Art und Nutzung
den Eingeführten Technischen Baubestimmungen (ETB)
der Versammlungsstätten-Verordnung (VStättVO)
den Unfallverhütungsvorschriften (VBG) der Berufsgenossenschaften

PrüfungSicherheitstechnische Geräte für Flucht- und Rettungswege werden vom VdS, MPA oder TÜV geprüft und zertifiziert. Vor der ersten Inbetriebnahme von elektrischen Fluchttür-Steuerungssystemen muss von einem Sachkundigen festgestellt werden, dass die Verriegelung ordnungsgemäß eingebaut wurde und voll funktionsfähig ist.
Die Anlage muss mindestens einmal jährlich durch einen Sachkundigen geprüft werden.

Planung von RettungswegenEin Rettungsweg wird im Brandfall durch Feuer und Rauch (Brandgase) bedroht. Der Gebäudetyp (z.B. Krankenhäuser oder Lagerräume) muss bei der Planung des Rettungsweges berücksichtigt werden. Krankenhäuser benötigen zur schnellen Räumung bettlägeriger Patienten deutlich breitere Rettungswege als kleinere Verkaufsstätten. Der Rettungsweg muss den örtlichen Gegebenheiten gerecht werden und konsequent durchdacht werden.

Erster RettungswegDas ist der Weg, der im Gefahrenfall von flüchtenden Person als erstes aufgesucht wird, also der meist benutzte Verkehrsweg. Dieser Weg muss mindestens der voraussichtlichen Zeitdauer des Fliehens standhalten und darf nicht durch Raucheintritt unpassierbar werden.
Der Fluchtweg wird durch den Weg und den Brandabschnitt (z.B. Tür oder Tor) definiert. Die baulichen Voraussetzungen sind in der DIN 4102 geregelt. Die Brennbarkeit von Baustoffen und Bauteilen im Bereich von Rettungswegen bezieht sich auf alle Teile, also auch auf Fußböden, Wandverkleidungen und elektrische Funktionsteile (z.B. Kabel).
Aus Untersuchungen und Auswertungen über das Verhalten von Menschen im Brandfall, liegen umfangreiche Erkenntnisse über das Fluchtverhalten vor. Mit entsprechenden Computer-Programmen lassen sich – speziell für größere Veranstaltungen – Fluchtrichtung, Fluchtgeschwindigkeit und Stauzonen simulieren. Vereinzelt wurden die Ergebnisse in die Bauordnungen übernommen. Danach ist in Fluren eine Stufenfolge von weniger als drei Stufen unzulässig, nachdem man herausgefunden hat, dass der flüchtende Mensch mindesten drei aufeinanderfolgende Stufen erwartet. Andererseits fand die Erkenntnis keinen Zugang in die Vorschriften, dass die Hauptfluchtrichtung bei freien Strecken meist gegen den Uhrzeigersinn verläuft.
Die Breite der Rettungswege ist von der maximalen Personenanzahl und deren Mobilität abhängig. Innerhalb der Wege dürfen keine Einbauten und Lagerungen vorgenommen werden, die den Fluchtweg verstellen oder zu Stau führen würden. Die Rettungsweglänge ist unter anderem von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Bei offenen Garagen liegt diese bei 50 m, nachdem der Rauch schnell abgeführt werden könnte. Der Zeitfaktor für Rettungswege kann positiv durch eine Belüftbarkeit und eine erhöhte Feuerwiderstandsdauer beeinflusst werden. Ein Rettungsweg ist gleichzeitig auch ein Zugang für die Feuerwehr und sollte so gebaut sein, dass er wie ein „Fluchttunnel“ wirkt, wenn einzelne Bauteile darüber einstürzen oder zusammenbrechen.
Die Rettungsweglänge wird in nachstehender Tabelle für die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten am Beispiel der Bauordnung und den Sonderbauverordnungen von Nordrhein-Westfalen aufgezeigt.

Rettungsweglängen
Bauart/Nutzung
Bauordnung
Maximale
 Rettungs-
weglänge
Allgemein
Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes bis zum Treppenraum oder ins Freie
35 m
Hochhäuser
Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes bis zum Treppenraum oder ins Freie
25 m
Krankenhäuser
Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes bis zum Treppenraum oder ins Freie
30 m
Versammlungs-räume
Von jedem Besucherplatz bis zum Ausgang des Versammlungsraumes
25 m

Von jedem Punkt eines Flures bis zum Treppenraum
30 m
Verkaufsstätten
Von jedem Punkt des Verkaufsraumes bis zum nächsten Hauptgang
10 m

Von jedem Punkt der Verkaufsstätte bis zum nächsten Ausgang, notwendigen Flur oder Treppenraum
25 m
Gaststätten
Von jedem Gastplatz bis zum nächsten Hauptgang
5 m

Bei mehr als 400 Gastplätzen von jedem Gastplatz bis zum nächsten Ausgang
25 m
Garagen
In geschlossenen und unterirdischen Garagengeschossen von jeder Stelle bis zum nächsten Ausgang oder Treppenraum
30 m

In oberirdischen offenen Garagen von jeder Stelle bis zum nächsten Treppenraum oder Ausgang
50 m
Schulen
Von jeder Stelle eines Unterrichtsraumes bis zum nächsten Treppenraum oder Ausgang (Luftlinie)
25 m

In Sporthallen
35 m
Zweiter RettungswegKann der zweite Rettungsweg nicht über einen Flur oder Treppenhaus sichergestellt werden, so muss eine Treppe nach unten errichtet werden oder eine Auftrittfläche für ein anleiterbares Rettungsgerät der Feuerwehr geschaffen werden. Ansonsten gelten die gleichen Anforderungen wie für den ersten Rettungsweg.

ArbeitsstättenverordnungIn § 19 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) werden die zusätzlichen Anforderungen an Rettungswege, im Zusammenhang mit Arbeitsplätzen beschrieben: „Anordnung, Abmessung und Ausführung der Rettungswege müssen sich nach der Nutzung Einrichtung und Grundfläche der Räume sowie nach der Zahl der in den Räumen üblicherweise anwesenden Personen richten. Rettungswege müssen als solche gekennzeichnet sein und auf möglichst  kurzem Weg ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen. Bei Gefahr muß sichergestellt sein, dass die Arbeitnehmer die Räume schnell verlassen und von außen schnell gerettet werden können“.

Beleuchtung von RettungswegenDie elektrotechnische Norm für die Errichtung einer Notbeleuchtungsanlage ist die VDE 0108. Die Norm für den mechanischen und elektrischen Aufbau der entsprechenden Leuchten ist die EN 60 598-2-22 (Europa Norm). Die lichttechnischen Anforderungen von Sicherheitsleuchten werden durch die DIN 5035 Teil 5, die Sicherheitskennzeichnung durch die DIN 4844 und VBG 125 festgelegt.
Die Aufgabe einer Sicherheitsbeleuchtung ist die Ausleuchtung des Weges und der Richtung. Man kann davon ausgehen, dass Menschen bei Gefahr vom Gefühl gelenkt werden und nicht vom Verstand. Etwa 80% aller Informationen werden über das Auge aufgenommen. Der Mensch fühlt sich ohne Licht (künstliches Licht oder Tageslicht) hilflos. Dunkelheit würde in Zusammenhang mit einer Bedrohung zu Panik führen. Die Notbeleuchtung soll ferner:
    • Die Fluchtrichtung anzeigen (Rettungszeichenleuchten)
    • Die Fluchttüre kennzeichnen
    • Den Rettungsweg ausleuchten (Rettungswegleuchten)
    • Hindernisse (z.B. Stiegen, Türschwellen) beleuchten
Bei Netzausfall müssen die Rettungswegleuchten mit einer Einschaltverzögerung von 15 sec., eine Nennbetriebsdauer von 1 Std., in Stätten für Menschansammlungen von 3 Std., unterbrechungsfrei ihre vorgeschriebene Funktion erfüllen. Die Mindestbeleuchtungsstärke für Rettungswege beträgt 1 lx horizontal (0,2 m Höhe über Boden). Die Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke muss Lmin : Lmax größer 1 : 40 sein. Für Alterung und Verschmutzung ist ein Planungsfaktor (1,25) zu berücksichtigen.
Als Rettungszeichenleuchten sind nur bestimmte Bildzeichen zulässig. Die Sicherheitsfarbe für Rettungszeichenleuchten ist grün (Kontrastfarbe: weiß).

Das Panikschloss
Das Panikschloss für Feuerschutztüren ist ein Profilzylinder-Einsteckschloss für Metalltüren. Nach der DIN 4102 Teil 5, sind Feuerschutzabschlüsse „selbstschließende Türen und selbstschließende andere Abschlüsse (z.B. Klappen, Rollläden, Tore), die dazu bestimmt sind, im eingebauten Zustand den Durchtritt eines Feuers durch Öffnungen in Wänden und Decken zu verhindern“. Im Brandfall müssen also diese Türen unbedingt geschlossen sein und bleiben, um ein weiteres Ausbreiten des Feuers wirksam zu verhindern.
In größeren Objekten werden elektronisch überwachte und betriebene Schlösser verwendet. Das Prinzip ist mit den mechanischen Panikschlössern identisch. Bei mechanischen Schlössern befindet sich an der Außenseite (von der Fluchtrichtung aus betrachtet) ein Knauf. Der Schlossriegel ist 2-mal gesperrt. Somit bietet die Türe nach außen Schutz vor unberechtigten Eindringlingen. Über die Innenseite lässt sich die Tür durch den Türgriff oder einen Bügel jederzeit – ohne Schlüssel - öffnen. Mit einer Drückerbetätigung werden gleichzeitig Falle und Riegel geöffnet.
Damit die Tür weder versehentlich, noch absichtlich offen bleibt ist ein Türschließer erforderlich, der die Tür „selbstschließend“ zudrückt. Damit soll Rauch und Feuer von Rettungswegen und den anderen Brandabschnitten ferngehalten werden.

FluchttürwächterDer Fluchttürwächter ist für Fluchttüren geeignet, die nicht an zentrale Systeme angeschlossen werden müssen, deren Öffnung jedoch gemeldet werden soll.
Das batteriebetriebene Gerät wird so unter den Türdrücker montiert, dass eine Betätigung nur noch möglich ist, wenn der Fluchttürwächter beiseite gedrückt wird, was allerdings zu einem Alarm führt. Er rastet in der betätigten Schrägstellung ein und kann nicht wieder unter die Türklinke gedreht werden, ohne mit dem Schlüssel vorher entriegelt zu werden. Der Anschluss an eine zentrale Stelle ist bei den meisten Geräten jedoch trotzdem möglich.

Alarmrückmeldung
Viele Türen befinden sich an Stellen des Gebäudes, die nicht permanent auf öffnen überwacht werden. Hier prallen zwei Anforderung aufeinander, die es zu koordinieren gilt:
  • Jederzeitige Türöffnung als Flucht- und Rettungsweg
  • Durchwegs verschlossene Tür, deren Öffnung zumindest gemeldet wird
Dies erreicht man mit Elektro-Haftmagneten (elektromagnetisch) oder Elektro-Fluchttüröffner (elektromechanisch). Beide arbeiten nach dem Ruhestrom-Prinzip. Wird der Öffnungsvorgang ausgelöst, werden die Komponenten stromfrei geschaltet (Relais fällt ab). Aus diesem Grund funktionieren die Geräte natürlich auch bei Stromausfall.

NotschalterIm Gefahrenfall unterbricht der Notschalter an der Innenseite, in unmittelbarer Türnähe, die Stromzufuhr und der Haftmagnet oder Fluchttüröffner fällt ab (öffnet). Die Tür lässt sich so im Notfall jederzeit öffnen.
Es gibt Systeme deren Auslösung über einen Druckknopf oder einen Flächentaster erfolgt. Besonders empfehlenswert sind Geräte, die erst nach „Einschlagen“ (eindrücken) einer dünnen Kunststoffscheibe betätigt werden können.
Bestimmte Türen müssen vorübergehend geöffnet werden, was durch einen Schlüsselschalter innerhalb oder außerhalb des Notschalters erfolgen kann. Je einfacher der Öffnungsvorgang möglich ist, desto zwingender ist eine akustische oder optische Alarmmeldung vor Ort, bzw. an eine zentrale Stelle erforderlich.
Kaufhäuser, Krankenhäuser und Hotelanlagen rüsten Notausgangstüren oftmals mit Sirenen und/oder Blitzleuchten in Türnähe und einer Zentral-Meldeanlage, an einer ständig besetzten Stelle, aus. Ein Einsatzplan regelt das weitere Vorgehen im Falle einer Auslösung.
In Koppelung mit einer Brandmeldeanlage lassen sich Fluchttüren automatisch freischalten, was den Zugang für die eintreffende Feuerwehr deutlich erleichtert. Besonders wichtig ist dabei, dass die „Öffner“ ohne Verzögerung arbeiten.

HaftmagnetEin starker Elektromagnet hält im Normalzustand die Fluchttür geschlossen.  Wird der Magnet im Gefahrenfall ausgeschaltet (z.B. Notschalter), wird die Stromzufuhr unterbrochen und die Tür sofort freigegeben. Der Magnet muss so stark sein, dass er auch bei witterungs- und montagebedingten Toleranzen einwandfrei funktioniert.
Auf die Tür wird eine Metallplatte geschraubt, bzw. werksseitig befestigt. Dabei gilt es die Zulassungsbestimmung von feuerhemmenden Türen zu beachten.
In den Türrahmen (oben) wird ein Haltewinkel angebracht, an den der Haftmagnet aufgeschraubt wird (außerhalb des Sturzes). Ein System besteht mindestens aus zwei Komponenten: Haftmagnet und Notschalter. Dies würde genügen, wenn keine Überwachung erforderlich ist und man mit einer laufenden Batterieauswechslung zufrieden wäre. Wem das zu aufwendig ist, der benötigt zusätzlich ein Steuergerät, das über eine Netzstromversorgung und über Steuerleitungen (12V- Ruhestrom), zum Notschalter und zum Haftmagneten, ohne Akkus oder Batterien auskommt. Ein Anschluss an ein Bussystem (z.B. EIB-Netz) zur Tür-Fernfreigabe oder Alarmmeldung ist bei den meisten Geräten möglich.

FluchttüröffnerDer elektrische Fluchttüröffner funktioniert im Prinzip wie ein Haftmagnet. Die Komponenten sind, bis auf den Türöffner, identisch. Ein Notfall-Fluchtüröffner muss auch, im Gegensatz zu gewöhnlichen Türöffnern, unter Druck öffnen.
Um einen gewissen Überblick zu behalten arbeiten die Fluchtüröffner häufig mit Rückmeldekontakten, die über ein LED-Anzeigetableau den Öffnungszustand anzeigen.